Hallo Patrick,
super Statement, das ist ja schon fast eine Dissertation geworden :=); aber ich weiss, dass das Thema für dich als Profiprogrammierer interessant ist und ich oft den "advocatus diaboli" abgebe...
Du weisst, dass ich bei Gott kein MS-Fanatiker bin, aber ich will mal auf MSAccess eingehen, weil ich es einigermassen zu kennen glaube:
Was bietet MSAccess: Einen graphischen Tabelleneditor (inklusive graphischer Verknüpfungsmöglichkeit), Einen graphischen Query-editor mit Umschaltmöglichkeit auf SQL-Fenster, einen Formeditor (á la "drag&drop)mit Master-detail, Unterformulare(Masken) einen Reporteditor mit Master-Detail Unterberichte(Reports), beliebig viele Bänder für Gruppierungen, einen graphischen Menüeditor, einen graphischen Makroeditor, einen Codeeditor für Visual-(oder Access-Basic?? weis nicht mehr...)Basic, einen Debugger (wenn man das "Direktfenster" so bezeichen kann), eine Organisationssicht auf die Datenbank (Tabellen, Forms, Reports, Makros, Module).
So ich glaube das ist schon mal was, und für mich als Dummy-User durchaus zu gebrauchen.
Ich glaube wir sollten in unserer Diskussion auch scharf trennen: Professionelle Anwendungsentwickler auf der einen Seite und ad-hoc Problemlöser im Büroalltag auf der anderen Seite. Das sind zwei komplett verschiedene Sachen, wo der eine mit dem Herangehen an die Problemlösung des anderen NICHT einverstanden sein KANN!
Warum?:
Ein Programmierer wird in seiner Problemanalyse die Größe der zu erwartenden Datenmenge, die Anzahl der Benutzer, die notwendigen Schnittstellen zu Fremdsystemen, die Flexibilität des Systems für zukünftige Aufgaben, die Wartbarkeit des Paketes u.v.m. berücksichtigen, um ein professionelles Produkt abzuliefern. Dies hat natürlich den entsprechenden Ressourcenanspruch zur Folge.
Der ad-hoc-Problemlöser hat diese Ressourcen schlicht und einfach nicht! Da wird verlangt, daß bis zum Montag der Quartalsbericht, oder das Rundschreiben an alle 526 Kunden außer an jene, welche im letzten Quartal weniger als für x EURO eingekauft haben, fertig ist, und natürlich mit ein par Charts angereichert präsentiert wird. Da muß in Ermangelung einer konsistenten Datenbasis des Betriebes halt "gezaubert" werden, und derjenige ist gut daran beraten, wenn er sich die benötigten Daten so unter's Jahr laufend mitführt, daß es sie dann am Stichtag parat hat (sischt wearsch narrisch..). Und das geht halt gut mit MSAccess, weil man sich die Daten dann direkt nach MSExcel exportieren und die Charts machen und einige Sachen wie Adressen usw. aus MSAccess mit der Serienbrieffunktion in MSWord bearbeiten kann usw.
Das ist halt der Büroalltag, speziell in Kleinbetrieben (aber nicht nur), wo ein Windowsrechner mit Officepaket (meist eh nicht mit MSAccess) steht und wo gesagt wird "arrangiati", und dann heisst's eben "zaubern" (siehe oben).
Dass dies eher einem "Gewurschtle" als einer professionellen Datenhaltung gleicht, ist eh klar, aber nach meiner persönlichen Erfahrung viel öfter anzutreffen als man glaubt.
Aber zurück zu unserer Frage ob es DB-RAD-TOOLS braucht.
Ich glaube Patrick, daß du recht hast wenn du sagst, daß solche Tools zu Ausbildungsbeginn für einen Profiprogrammierer kontraproduktiv sind. Vielleicht können sie später hilfreicher sein, wenn der Programmierer weiss was er tut (und auch weiss was das Tool tut :=)...), etwa für die schnelle Generierung von Prototypen o.ä.
Aber wir sollten den Blick etwas weiter fassen:
Schauen wir uns die Softwareindustrie im Vergleich zur Autoindustrie an (Autoindustrie als Schlüsselprodukt der Vergangenheit und Softwareindustrie als Schlüsselprodukt der Zukunft).
Das Produkt Automobil hat in seiner Entwicklung von der einfachen Benzinkutsche zum seriengefertigten Hi-Tech Produkt auch eine parallele Entwicklung der Fertigungstechnik bedingt. Waren die ersten Automobile noch Einzelanfertigungen aus einer Hand, so sind sie im Laufe der Zeit, über die Serienfertigung (Amerika Ford-T Modell) und laufende Spezialisierung durch Arbeitsteilung zu assemblierten (?) Fertigprodukten geworden, welche viele Väter (und Mütter) haben. Die heutigen Autohäuser (Hersteller Ford, BMW, Fiat) sind "nur" mehr Systemintegratoren, welche sogar die Lagerhaltung (Just-in-time) ausgelagert haben. Deshalb ist auch die Qualitätssicherung der Zulieferer ("Zertifizierung") von enormer Bedeutung, damit der Autohersteller gegenüber dem Endverbraucher haften kann.
In der Softwareindustrie sind wir noch nicht soweit, oder habt Ihr schon einmal von einer Softwarefirma gehört, welche für das Funktionieren Ihres Produktes garantiert, oder gar eine Haftung übernimmt?
Aber es ist auch hier (wie einst in der Autoindustrie) eine laufende Entwicklung zur Spezielisierung durch Arbeitsteilung zu beobachten. Wie sollte es auch anders sein, da sich die Softwareindustrie wie jeder andere Fertigungsprozess auch in dem ein und demselben wirtschaftlichen Kontext abspielt.
Ich persönlich habe die Vorstellung von einem Softwaresystem in welchem ich als Firma (Benutzer), also als Anwender, mir mein System aus (in weltweiter Arbeitsteilung) vorgefertigten Modulen aus dem Netz zusammenstellen kann, wobei mir durch den Systemintegrator (=Automobilindustrie=Hersteller) das Funktionieren des Gesamtsystems garantiert wird.
Der Programmierer ist dann der Zulieferer (wie in der Autoindustrie), welcher dem Systemintegrator (= in der Autoindustrie der Hersteller) durch Qualitätssicherung in der Softwareentwicklung das Funktionieren der Komponenten garantiert, sodaß der Systemintegrator wiederum mir als Endverbarucher gegenüber in Haftung treten kann.
Wenn man die Arbeit des Programmierers in diesem (zukünftigen) Kontext betrachtet, dann haben RAD-TOOLS dort wirklich nichts verloren, aber bis dahin...
by
sepp