Südtirols selbsgewählte digitale Abhängigkeit
Die Landesverwaltung wählt Microsoft Office365
Mit Beschluss 388 vom 12.04.2016 entscheidet die Landesregierung, die
PC-Arbeitsplätze der öffentlichen Angestellten in der Landesverwaltung,
im Gesundheitswesen, und im Gemeindenverband mit der Software Office365
in der Microsoft-Cloud zu versorgen. In der zugrundeliegenden Studie
wird zudem das freie Dokumentenformat ODF in Frage gestellt.
Der gemeinnützige Südtiroler Verein Linux User Group Bozen – Bolzano –
Bulsan hat es sich zum Ziel gesetzt, das Wissen um Freie Software
(FLOSS) in Südtirol bekannt zu machen, zu vermehren und entsprechend
dafür zu sensibilisieren.
Die LUGBZ ist der Meinung, dass diese Entscheidung und die Betrachtung
hinsichtlich Formate folgenschwere Konsequenzen haben wird:
1.“Wer die Daten hat, hat den Kunden”; Dieses Zitat vom ehemaligen
SAP-Vorstandsvorsitzenden Henning Kagermann beschreibt es deutlich: Egal
bei wem welche Cloudlösung angestrebt wird, die Daten sind nicht mehr
vollständig im Besitz des Eigentümers und somit nicht mehr vollständig
unter der eigenen Kontrolle. Einzig eine “private Cloud”, d.h. die
Organisation der öffentlichen Daten in einer Südtiroler Struktur würde
diese Sicherheit bringen.
2. Standards und Normen sind im globalen Wettbewerb die stärkste Waffe.
Wer sein (Daten-)Format durchsetzen kann, bindet Kunden an sich und
macht sich langfristig unentbehrlich (Matthias Becker, freier
Journalist). Das Land ist der größte Impulsgeber und muss sich dieser
Verantwortung bewusst sein. Interagiert das Land mit dem Bürger anhand
freier Formate, unterstützt und verbreitet es diese Unabhängigkeit.
Ähnliche Unabhängigkeiten gelten für freie Software.
Die Erörterung der beiden Punkte, in Anbetracht der immer stärker
fortschreitenden Vernetzung von Menschen, Waren, und Dienstleistungen,
wirft die Frage auf, welche Art von Informatik wir in Südtirol betreiben
wollen: Sind wir nur “Verbraucher”, die sich in eine (selbst)gewählte
Abhängigkeit begeben, oder wollen wir selbst entscheiden können und
Innovation fördern? Denn eines muss man in aller Deutlichkeit sagen: Die
öffentlichen Einrichtungen stellen insgesamt den größten Arbeitgeber im
Land und damit stehen und fallen auch technologische, insbesondere
informationstechnische Entwicklungen bzw. Investitionen.
Welche berufliche Zukunft haben die 20-30 Studienabgänger im Bereich
Informatik, die jährlich, also auch heuer, die Freie Universität Bozen
verlassen und in den lokalen Arbeitsmarkt einsteigen möchten? Inwiefern
kann nachhaltig Innovation durch Informatik betrieben werden , wenn
überwiegend vorgefertigte Informatik herangezogen wird? Wollen wir uns
darauf konzentrieren bzw. reduzieren, geschlossene Lösungen anzuwenden,
die anderenorts erdacht wurden?
Die LUGBZ distanziert sich vom Beschluss 388 und wünscht sich eine
konstruktive, öffentliche Auseinandersetzung um das Thema Freie Software
in Südtirol.